Archiv Felsberg

Ortsgeschichte Heßlar

Heßlar, in der Mitte der Verbindung zwischen Melsun­gen und Felsberg, an der Salzstraße von Sooden-Allendorf nach dem Rhein und an einer alten „Heerstraße“ gelegen, ist bereits eine Siedlung aus grauer Vorzeit. Nicht nur die Endung „lar“ beweist das, sondern auch die Werkzeugfunde aus der Jungsteinzeit im Bereich einer ergiebigen Quelle. Schriftliche Dokumente liegen erst mit der Aufzeichnung von Güterverhältnissen durch schreibkundige Mönche vor. Seit dem Jahre 1061, der Ersterwähnung, mehren sie sich im Zusammenhang mit dem Kloster Eppenberg, später Kartause, bis in die Zeit der Reformation. Auch der Walderwerb, eine Schenkung der Landgrafen Anno 1360, fällt in diese Periode.

Die seit dem 16. Jahrhundert sich bildende Verwaltungs­organisation der Territorial macht erfaßte bis ins letzte Dorf Menschen, Grund und Boden, Rechte und Pflich­ten. Somit stieg der Schriftverkehr mächtig an und auch Heßlar wurde häufiger erwähnt; sein Schicksal deutlicher hervorgehoben. Der Krieg, der von 1618 -1648 Land und Leute verdarb und arm machte, forderte in den Pestjah­ren zahlreiche Opfer und vernichtete den Wohlstand und die Moral bis auf den Grund. 1640 versank der Ort in Schutt und Asche. Nur sechs Familien blieben übrig. Sechzig bis siebzig Jahre dauerte es, bis man an Wieder­aufbau dachte. Der Ortskern wurde systematisch auf­gebaut. Kirche und Schule schaffte man aus den Trüm­mern, und trotz aller Rückschläge kam man vorwärts. Aber das 18. Jahrhundert ließ die Menschen in ihrer Armut steckenbleiben. Eine dürftige Verbesserung erwar­teten die Einwohner aus der Rodung eines Teiles des Markwaldes. Die ärmsten aber griffen zu illegalen Mitteln. Waldfrevel und Jagdvergehen nahmen zu; ebenso Diebstahl und Betrug. Die napoleonischen Kriegsunternehmen wirkten sich selbstverständlich auch in Heßlar aus. Zwangsbelastungen, Kriegsfolgen, beson­ders Kosakenübergriffe warfen neben den Menschenver­lusten die Bevölkerung in ihrem Daseinskampf um Jahr­zehnte zurück.

Doch das Gedankengebäude der französischen Revolu­tion hatte seine Spuren hinterlassen und das ganze 19. Jahrhundert spiegelt den Kampf um Freiheit und Gleichheit wider. Heßlar bekam eine „ersehnte“ Bürger­garde; die Einwohner wurden leicht rebellisch. Doch die wirtschaftliche Lage verbesserte sich allzu langsam und auch die technischen Fortschritte brachten keine Hilfe. Die politischen Wirren und militärischen Vorkommnisse verdunkelten alle noch so guten Vorhaben. So verbleibt gerade noch ein Weg zu besseren Verhältnissen; die Aus­wanderung, die in allen Notjahren enorme Zahlen auf­wies. Nur Bergmann oder Tagelöhner, Knecht und Magd stand zur Wahl, bis der erste Weltkrieg 1914 ausbrach und diese Probleme zunächst in den Hintergrund treten ließ. Um 1900 begann das Streben nach einer Berufsausbil­dung, das sich nach Kriegsende schnell ausbreitete. Natürlich setzte auch hier die Wirtschaftslage Grenzen. Hatten am Beginn der 20er Jahre ganze Scharen in den Fabriken Kassels Arbeit gefunden, ließ die Arbeitslosig­keit um 1930 ebenso scharenweise die Männer vor den Arbeitsämtern anstehen. Eine Situation, der man durch Notstandsarbeiten wie Wasserleitungsbau, Straßen- und Wegebau zu begegnen suchte.

Selbst in den Jahren 1934/35 waren solche Notstandsar­beiten noch lächerlich klein, wie in Heßlar die Errich­tung einer Mauer um den Lindenplatz oder 1936 die Errichtung eines neuen Schulhauses. Dann setzte bei uns der Bau der Reichsautobahn ein und erfaßte die letzten Arbeitslosen.

Aber bum war sie fertig, da brach der zweite Weltkrieg aus, in dessen Gefolge sich zunehmend alle negativen Ereignisse und Nöte hier wie überall ausbreiteten. Die eva­kuierte Saarbevölkerung mußte untergebracht werden. Eigene, fehlende Arbeitskräfte wurden durch polnische Zwangsarbeiter ersetzt, und dazu kamen alle die Obdachlosen, die beim rücksichtslosen Bombeneinsatz gegen die Großstädte, bei uns Kassel, aufs Land flüchteten. Als dann 1946 die Evakuierung der Deutschen aus den Ost­gebieten einsetzte, waren die an sich für eine Familie erbauten Häuser zu Notwohnungen geworden. Ein Zustand, der in der Wirtschaftslage der Zeit nicht zu beseitigen war, da es an allem Material mangelte. Erst nach der Währungsreform von 1948 begann eine lang­same Lockerung der unmöglichen Lage, die aber dann in den Jahren nach 1950 spürbar wurde. Zugleich verstärkte sich der Wille zum Wiederaufbau. So kam es, daß ein Teil der Flüchtlinge allmählich in die Nähe besserer Arbeits­stellen abwanderte oder hier durch Neubau oder Einhei­rat ansässig wurde.

Das Innere der Kirche wurde im Rahmen der Restaurie­rung mehrfach überholt. Eine neue Glocke und Orgel­pfeifen, die der Krieg verschlungen hatte, wurden beschafft, der Außenbereich neu gestaltet und gepflegt. Ein Elektroanschluß ermöglichte Beleuchtung und Beheizung. Der Friedhof bekam ein anderes Gesicht und eine Wasserleitung erleichterte die Pflege der Grab­stätten.

Ein schwieriges Problem war stets die Wasserversorgung sowie d.e Führung der Abwässer. Die aus den Jahre 1926/27 stammende Gußrohrzuleitung war mit Zunahme von Neubauten den Anforderungen nicht mehr gewachsen und die minderwertige Kanalisation verlor bei stetiger Verschmutzung und gewaltiger Steigerung des Wasserverbrauchs an Bedeutung. Bei den beschränkten Geldmitteln gingen alle Arbeiten nur abschnittsweise voran. Erst nach Eingemeindung Heßlars nach Gensungen 1971 und in den Stadtverband Felsberg konnten grö­ßere diesbezügliche Vorhaben realisiert werden. Mit dem Ende des Jahres 1985 sind wir auch dem Wasserverband Fritzlar-Homberg endgültig angeschlossen. Doch wer­den die Arbeiten bis zu einer zufriedenstellenden Lösung noch viele Jahre erfordern.

Die 900-Jahrfeier 1961 brachte dem Dorf im Hinblick auf Straßenbau und Restauration der Fachwerkhäuser neue Fortschritte. Ebenso die daran anschließende Dorfver­schönerung mit Verleihung der Bundesgoldplakette und der Freiherr-vom-Stein-Plakette und der abschließende Höhepunkt aller Anstrengungen: die Errichtung eines Dorfgemeinschaftshauses. Dazu kam die Anlage eines Feuerlöschteiches, der auch als Schwimmbad gedacht war und zweier Kinderspielplätze. Nur das Gefühl der Dorfgemeinschaft ließ diese Erfolge zu. Denn die Gemeinde an sich war zu arm, alle Vorhaben aus ihrer Kasse zu begleichen.

Ein besonders schönes Beispiel dafür ist die Errichtung des Dorfgemeinschaftshauses, bei dessen Bau durch frei­willigen, tatkräftigen, selbstlosen Einsatz ca. 60.000 DM aufgebracht wurden; von all den Vorhaben nicht zu reden, wie der Erweiterungsbau mit den notwendigen Räumen für die Feuerwehr und die Errichtung einer Friedhofskapelle.

1966 hatte man den Gedanken einer Siedlung aufgenom­men, deren letzte Ausführung sich weit in die 70er Jahre hinzog.

Es ist unmöglich, alle die Teilvorhaben im Inneren der Gemeinde Heßlar seit dem Ende des zweiten Weltkrieges aufzuführen. Die Durchführung hat aber unendliche Mühe und äußerst viel persönlichen Einsatz und Opfer gefordert; doch man kann nur vertrauensvoll in die Zukunft schauen. Nur das Streben nach Verbesserung der Gesamtlage und der Wille zu weiterer Arbeit, auch zum Opfer, darf nicht aufhören oder erlahmen.

Quelle: 700 Jahre Stadt Felsberg


Dieser Beitrag wurde eingestellt von: Elke Lück
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